Immer der Nase nach...
eine duftende Liebeserklärung an London


Ich soll etwas über Nasen schreiben und London. Hmm, für die Frühlingsdüfte ist es noch zu früh, die Chelsea Flower Show hat noch nicht begonnen, die Rosen im königlichen Rosengarten im Regent's Park verteilen auch noch nicht ihren betörenden Duft. Da soll man sich also was aus der Nase ziehen... apropos Nase: wenigstens läuft die meine nicht, da es in London dank des Golfstroms im Winter zumeist trocken und angenehm mild ist - Schnee habe ich in den letzten drei Jahren auch nicht gesehen. Tja, da stehe ich nun immer noch im Regent's Park, vielleicht sollte ich doch in den London Zoo gehen? Riechen tut man ihn ja von hier aus... Für alle, die den herben Geruch der Originale doch zu heftig finden, ist das Rainforest Cafe in Soho eine Alternative, ein herrlich künstliches Regenwald-Restaurant, beeindruckend für alle unter 5 und alle Pappnasen.

Vielleicht sollte ich aber lieber etwas über eine Nase für Trends schreiben. Premierminister Tony Blair beschreibt London als Cool Britannia; wer denkt nicht sofort an die neuesten, schrillsten und hippsten Trends, wenn er an London denkt? Und doch hat der, der London für cool hält, weil die Stadt als Trendmetropole gilt, etwas falsch verstanden. Was ist Trend? Wenn ich mich umsehe und frage, was gerade in ist, dann ernte ich Achselzucken. Jeder renne doch rum wie er wolle. Und keinen stört es. Vielleicht ist es aber gerade das, was die Stadt so trendy macht. In keiner anderen Metropole treffen so viele Kulturen zusammen wie hier, nach neuesten Umfragen werden in Londons Schulen über 300 Muttersprachen gesprochen, das ist mehr als in New York! Nirgendwo kommen so viele unterschiedliche Gerüche zusammen wie in London, dem Zusammentreffen der Supernasen, aber auch der Pappnasen. Wie das? Die Supernase kann sich in London eine goldene Nase verdienen mit dem richtigen Riecher für den richtigen Job, wobei das meist im Bereich Banking und Marketing anzufinden ist, vielleicht habe ich einen ungeahnten Riecher für die Börse?

Wer gerne spekuliert, der kommt an der Londoner Börse nicht vorbei, schließlich ist sie wichtiger als die Frankfurter Börse... Ein bisschen mehr Geld schadet nicht; wie sagt man so schön, Geld stinkt nicht, denn London ist auch die teuerste Stadt in der gesamten Europäischen Union und steht damit leider an 7.Stelle in der Weltrangliste der teuersten Städte. Die Gründe dafür sind hauptsächlich das starke englische Pfund, das in den letzten Jahren drastisch angestiegen ist und die langanhaltende Dauer des Wirtschaftswachstums im Vereinigten Königreich, weswegen aber auch die Arbeitslosenquote in London seit den letzten Jahren niedriger liegt als in Deutschland oder auch in Amerika. Vielleicht mache ich ja auch heute einen großen Gewinn in der Lotterie? Aber man muss ja seine Nase nicht überall hineinstecken...

Die Pappnase: Obwohl eine Messung der NHS (National Health Service) besagt, dass die Londoner Luft sauberer ist als die von anderen Millionenstädten, kann man schlichtweg sagen, dass die Luft in London stinkt. Da fahren Radfahrer grundsätzlich nicht ohne Mundschutz durch den immer stockenden Verkehr, anfangs habe ich mich sehr gewundert, habe dann aber selber erfahren müssen, dass man nach einer Fahrt durch die Innenstadt ansonsten mit einem schwarzen Gesicht am Ziel ankommt, von den unangenehmen Abgasgerüchen ganz abgesehen! Die Konsequenz? Lieber gleich ab in die Tube (U-Bahn), das Geruchsparadies schlechthin! Als meistgenutztes und ältestes Verkehrsmittel birgt die Londoner Untergrundbahn einen unersättlichen Kubus an Gerüchen aus aller Herren Länder, meistens faszinierend und interessant, manchmal ist das fluchtartigem Verlassen eines Waggons die einzige Rettung. Da sind mir die Hotdogstände beim Oxford Circus, die meilenweit gegen die Horden von Touristen mit ihrem Zwiebelgeruch anstinken, doch viel lieber. Aber ich wollte ja noch weiter, ins East End, dem Trend auf der Spur. Wie in Berlin bewegt sich Londons Szene Richtung Osten. Der Bagel Bake in der Brick Lane hat schon Kultstatus, ein Besuch der touristisch eher unbekannteren Wochenendmärkte gehört zum gepflegten Must. Rund um Old Street, Themse, Docks und Tower entstehen Clubs, jeder will im East End wohnen und hier schlägt auch das Herz der Künstlerszene mit vielen kleinen, aber auch sehr guten Architekturbüros, Galerien und Ateliers. Was vor ein paar Jahren noch als Verschwendung von Steuergeldern galt, ist heute der Mittelpunkt der internationalen Kunstszene. Und ab in die Brick Lane - oh, der Bagel Bake hat auf - das kann man meilenweit riechen... und da nützten auch die besten Diätideale nicht da muss ich rein! Uff, das war ein Bagel zuviel. Ein Nickerchen wäre jetzt nicht schlecht, schnuppern ist anstrengend. Kew Gardens ist mir jetzt zu weit, obwohl ich jetzt im Winter da gemütlich im Gewächshaus sitzen könnte, den lieblichen Duft von exotischen Pflanzen mit unaussprechlichen Namen einatmen und im größten Palmengewächshaus der Welt vom Urlaub in der Südsee träumen könnte... aber ich glaube hier in London gefällt es mir sowieso am Besten!
 
Nicole Beer

 

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